Der ehemalige puerto-ricanische Mafioso Carlito Brigante wird niedergeschossen. In einer Rückblende erinnert er sich, wie er in diese Lage gekommen ist. Ursprünglich war Carlito wegen schwerster Delikte zu einer dreißigjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Sein zwielichtiger Anwalt David Kleinfeld konnte ihn jedoch aufgrund von Verfahrensfehlern nach fünf Jahren aus dem Gefängnis holen. Carlito bedankt sich bei Kleinfeld und sagt ihm, dass er ihm ewig dankbar sein werde.
PROLOG:
Okay, zugegeben, ich hatte im Vorfeld gar nichts von diesem Film gehört. Er kam hierzulande zu einer Zeit in die Kinos, in der auch Pulp Fiction an den Start ging. Durch den enormen Erfolg von Quentin Tarantino ging diese Nummer hier letztlich komplett an mir vorbei. Aufmerksam wurde ich diese Tage dann durch ein Posting des Kritikers Cem - und sehr sehr bald schon, wirds auch von ihm etwas dazu geben. Sobald das der Fall ist, werd ich das hier, auf Instagram und sämtlichen anderen Portalen als Communitypost veröffentlichen, weil meine Güte. Ich finde diesen Film wirklich kriminell unterschätzt. Ist er so gut wie die ganzen Klassiker namens Scarface, Der Pate oder GoodFellas? Nein, bei weitem nicht. Dennoch hatte ich wirklich gute Unterhaltung bis fast zum Ende - und der Film geht erneut über zweieinhalb Stunden. Aber ich will jetzt nicht schon das Fazit vorweg nehmen, daher gleich noch einige Worte dazu. Legen wir erstmal los.
MEINUNG:
Als erstes möchte ich gerne darüber reden, wie dieser Film geschrieben ist: Wir haben quasi einen Beginn, der uns zunächst das Ende des Filmes zeigt, bevor die Geschichte in einen gigantischen Flashback übergeht, indem uns Brigante selbst die letzten Tage seines Lebens nach der Entlassung aus der Haft schildert. Denn eigentlich hat "Charlie" mit seinem alten Leben abgeschlossen und will komplett aus der Stadt verschwinden. Und allein, wie das geschrieben und inszeniert ist, zieht es den geneigten Zuschauer sofort in die Handlung und lässt ihn nicht mehr los. Ich hatte zeitweise auch das Gefühl, dass der Film nicht chronologisch erzählt, sondern, wie bei Pulp Fiction in der Postproduktion zusammengeschnitten wurde. Etwas, was ich schon bei Tarantinos Erstlingswerk so geil fand. Wer darüber etwas genaueres weiß, weil ich hab mich selbst im Vorfeld so wenig wie möglich informiert, schreibts mir bitte mal in die Kommentare :)
Um jetzt die Handlung nicht noch weiter zu Spoilern, rede ich hier zunächst über den Cast: In den Hauptrollen haben wir zum einen Großmeister Al Pacino als Carlito Brigante, der mit seinem zwielichtigen Anwalt Kleinfeld, gespielt von Sean Penn nach seiner Haftentlassung zunächst so richtige Buddy-Vibes entstehen lässt. Man fühlt die Verbindung zwischen beiden, sieht jedoch auch, dass Kleinfeld mittlerweile andere Ziele verfolgt als Carlito. Daneben haben wir Penelope Ann Miller in der Rolle von Carlitos früherer Liebe Gail. Die Spannungen hier sind greifbar, wenn er ihr aufgrund ihrer Arbeit Vorwürfe macht, selbst auf die Frage, ob seine eigenen Entscheidungen immer weise waren, keine Antwort finden kann. Das alles ist sehr spannend geschrieben und mit derartigem Tiefgang gespielt, dass man auch diese Chemie von Sekunde eins an spürt: Er will eigentlich Gail zuliebe aufhören und mit ihr abhauen, kann es jedoch nicht übers Herz bringen, seinem Anwalt einen letzten Gefallen auszuschlagen. In den Nebenrollen sind dann noch Luiz Guzmán als Pachanga, James Rebhorn als Staatsanwalt Norwalk sowie Joseph Siravo als Vincent „Vinnie“ Taglialucci zu sehen, der vom koksdichten Kleinfeld um eine Million erleichtert wurde, damit dieser seine eigenen Ziele erreichen konnte.
Handwerklich bekommt man hier die volle Packung serviert: gut gealterte, praktische Effekte treffen auf eine Kameraarbeit, die mich von Sekunde eins an überzeugt: Die richtige Beleuchtung in den richtigen Farben ergeben eine Milieugeschichte, die an die alten Klassiker erinnert, ohne sie Beat für Beat zu wiederholen. Ich mag auch diesen kernigen Look der frühen Neunziger, das hat für mich immer eiinen gewissen Charme und damals gabs ja auch noch kein HD. Generell bin ich eher Fan von Filmen, die auf einer Buchvorlage basieren, da man sich hier sehr viele Gedanken über die Umsetzung macht. Der Film ist brutal, wenn er brutal sein will. Wenn er die Spannung anzieht bis einem die Luft wegbleibt, findet sich der Zuschauer in einem Drama wieder. Dieser Spagat gelingt hier außerordentlich gut. Wir haben lange Takes, in denen Carlito einfach nur verzweifelt ist, wenn er mit Gail interagiert. Auf der anderen Seite scheut er jedoch noch immer keine Gewalt, was dann zu den genannten Spannungen führt. Das so zu schreiben und dann auch noch zu spielen, das kann Pacino wie kein anderer. Aber zurück zum Kern: Wenn der Film dann mal blutig sein will, geht man auch hier all in. Es gibt eine Szene, die hat mit ner Boje zutun. Da seht ihr dann, wovon ich rede. Ein anderer Take spielt in einer Bar, aber erneut, ich mag nicht zu viel spoilern. Das sollten meine treuen geneigten Leser selbst entdecken.
Zuletzt muss ich noch über den Score und die Musik reden. Auch hier erneut der Verweis zu Pulp Fiction: Der Soundtrack ist so verdammt vielseitig. Von puerto-ricanischen Klängen bis hin zu modernen Diskoklassikern ist hier alles vertreten und das finde ich außerordentlich gut gemischt. Bei Takes,. die in den Clubs der Stadt spielen, haben wir die typischen Tunes aus den 70ern bis in die frühen 80er. In den kleinen Straßenkneipen läuft zumeist Musik der einheimischen Leute. Und ich so: Ja man, ihr habts getroffen. So stell ich mir das Nachtleben in dieser Gegend vor. Generell finde ich den Score und den Soundtrack fast so genial getroffen, wie bei Pulp Fiction. Und das muss an dieser Stelle zwingend erwähnt werden. Komponist Patrick Doyle dreht mit seiner Musik derart die Dramaturgieschaube an, dass mir zeitweise der kalte Schweiß über den Nacken lief. Gepaart mit diesen Dialogen und diesem Schauspiel ist es gelungen, dieser Nummer eine ganz eigene Atmosphäre mit jeder Menge Tiefgang zu spendieren.
Bei aller Freude muss ich jedoch auch Kritik üben: Zum Ende hin vergaloppiert sich der Film dann doch zu sehr in ein wildes Katz- und Mausspiel, dass man hier nicht so extrem hätte ausweiten müssen. Die letzten Szenen hatten leider für mich kein so gutes Pacing mehr, wie der Rest des Films. Es wirkte zeitweise so künstlich in die Länge gezogen, dass ich erneut alle 5-10 Minuten auf die Uhr geguckt hab. Das hätte man mit der hälfte der Takes vermeiden können. Die letzten dreißig Minuten an diesem Bahnhof haben sich angefühlt, wie eine Stunde und das finde ich sehr sehr schade, nachdem der Rest dieser Nummer nahezu perfekt auf mich wirkte. Ich muss an dieser Stelle jedoch auch sagen, dass ich hier die literarische Vorlage nicht kenne. Insofern kann ich erneut keine Aussage darüber treffen, wie dicht dieser Film an der Vorlage ist.
FAZIT:
Für sich genommen, ist Carlito's Way ein solider Gangsterfilm mit Elementen aus dem klassischen Drama. Also schon ein Werk, das zunächst erstmal ziemlich schmackhaft daher kommt: Wir haben außerordentlich gute Schauspieler, die ihren Rollen die richtige Tiefe und die richtige Prise Drama geben, denn genau DAS ist dieser Film für mich: Ein ruhiges Charakterdrama im Stil von Joker. Ich will diesen Film jetzt nicht mit Joker vergleichen, doch haben wir hier auch wieder die fast identischen Parallelen: Was davon ist jetzt wirklich passiert? Wie kam es dazu und: Was sind die Konsequenzen die daraus resultieren? Diese Umstände machen aus der Nummer so viel mehr, als nur den x-ten Mafiafilm nach Schema F. Zum Schluss hin verliert die Nummer dann aber immer mehr ihren Zug, der die gesamten zwei Stunden davor so gut funktioniert hat. Und das finde ich ehrlich gesagt, schade. Da hätte man eventuell etwas mehr bringen können, als sich nur von einer Rolltreppe auf die nächste zu jagen. Ein Umstand, der für mich das Ende länger erschienen lies, als es tatsächlich ist.
WERTUNG:
Genre: 8,5/10
Gesamt: 8/10
Und damit bin ich am Ende meines Reviews über Carlito's Way aus dem Jahr 1993. Doch jetzt frage ich euch: Habt ihr ihn gesehen? Was haltet ihr von dieser Nummer? UND: Wie steht ihr generell zu diesem Genre? Schreibts mir gern in die Kommentare, ich freue mich auf euch.
Somit bedanke ich mich erneut recht herzlich fürs reinklicken und durchlesen und wünsche euch wie immer ganz ganz viel Spaß im (Heim-)Kino. Habt eine gute Zeit, nette Leute um euch und machts gut, bis zum nächsten Mal.
Charly, wundervoll zusammengefasst und toll das du ihn dir angeschaut hast. Du hast den Film richtig gut analysiert und ich gebe dir da absolut recht das er leider am Schluß soviel einbüßt, was er sich vorher so schön aufgebaut hat, gerade der Schluß hat ein komisches Pacing und fühlt sich irgendwie „off“ an und passt nicht mehr.
AntwortenLöschenDie Farbpalette vom Film fand ich persönlich überragend und ich finde es komisch das viele Filme das heutzutage gar nicht mehr so hinbekommen, so müssen Filme ausgeleuchtet sein.
Ich habe mir den Soundtrack von Parrick Doyle übrigens gekauft, weil ich den so stark fand, den Roman übrigens auch um festzustellen was denn anders ist.
Tolles Review von dir und ich denke es hat nicht viel gefehlt und es wäre dann mit im Olymp des Gangsterfilms gelandet 🙌🏻
Erneut ein fettes Danke fürs Feedback. Gibts denn Unterschiede zur Vorlage? Wie gesagt, kenne ich das Buch nicht, würde mich aber interessieren ob und wie weit man hier tatsächlich abgewichen ist.
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